Pierre Henry

*  9. Dezember 1927

†  5. Juli 2017

von Torsten Möller

Essay

Anders als für die Instrumentalmusik existieren von der Musique concrète und im allgemeinen auch der elektroakustischen Musik keine Partituren. Nur gelegentlich wurden graphische Notationen der Werke Henrys bekannt wie zum Beispiel die sehr exakte für Comptine [Reim/Abzählvers], der achten der Variations pour une porte et un soupir (1963; Nbsp.1). Sein Gesamtwerk ist durch stilistische Offenheit gekennzeichnet. Konsequent nutzte er die Möglichkeiten der Rundfunk- und Schallplattentechnik, später des Tonbands und schließlich des digitalen Samplers. Radikaler noch als Schaeffer bediente sich Henry heterogenster Klang- und Geräuschquellen; Alltagsgeräusche bezog er ebenso ein wie elektronisch generierte Klänge oder auch Zitate aus klassisch-romantischer Musik: »Alles, was ich weiß; alles, was ich sehe; alles, was ich höre: Ich wähle es aus und strukturiere es wie klingende Zeit. Klingende Zeit ist ein Gewebe, das Vergangenheit und Zukunft miteinander verbindet. Aus diesen Verbindungen mache ich Musik« (Henry 1996 [1982]).

Nicht nur werkimmanent zeigt sich Henrys unbedingtes Interesse, keine Schranken durch die Fixierung auf ein fest abgestecktes Gebiet zu errichten. Die Zusammenarbeit und die Diskussionen mit dem Schriftsteller Boris Vian (zuerst 1951; Kesquidi?, 1954 u.a.), dem Bildhauer Nicolas Schöffer (Spatiodynamisme, 1955), dem ...